1. Ist dies Ihr erster Aufenthalt in New York? Wie ist Ihr bisheriger Eindruck von der Stadt? Was für Erfahrungen und Entdeckungen haben Sie gemacht seit Sie angekommen sind?
Nein, ich war schon ein paar Mal hier. Da ich aus einem Touristenort stamme und von Kindheit an die im Schnellverfahren gemachten „Erfahrungen“ und „Entdeckungen“ der touristischen Insider etwas anmaßend fand, möchte ich mich mit meinen New-York-Weisheiten aber lieber zurückhalten. Ich fühle mich jedenfalls ausgesprochen wohl.
2. Bei Ihrer Lesung im Deutschen Haus at NYU haben Sie erzählt, dass Sie beim Schreiben, ähnlich wie die Hauptfigur Ihrer Kriminalromane Detektiv Simon Brenner beim Lösen seiner Fälle, einen Prozess des „Brütens“ durchlaufen. Was genau macht diesen Prozess aus und wie gestaltet er sich? Spielt die Umgebung, in der Sie schreiben (und leben), eine Rolle in Ihrem Schreibprozess?
Das Hauptmerkmal des „Brütens“ ist wohl in erster Linie die Zeit, die man einem Text gibt. Es braucht eben seine Zeit, bis aus einer frischgelegten Idee was wird. Die Umgebung ist nicht sehr wichtig, aber hier in New York arbeite ich viel mehr als daheim - einfach weil es irgendwie das Hirn erfrischt, wenn man mal woanders ist.
3. Von Detektiv Simon Brenner haben Sie sich mehrfach verabschiedet, und gesagt, dass sie keine weiteren Brenner-Krimis schreiben würden. Warum wollten Sie die Serie beenden und warum kehren Sie doch immer wieder zu Simon Brenner zurück?
Beenden wollte ich sie, weil die Serie plötzlich so viele Fans hatte. Man kriegt dann ein bisschen das Gefühl, dass man Erwartungen erfüllen soll, und das ist uninteressant. Ich mag das Gefühl nicht, dass mir beim Arbeiten wer über die Schulter schaut. Erst durch das Beenden und den langen Abstand von sechs Jahren ist die Serie wieder zu meinem eigenen Spielzeug geworden, und es hat großen Spaß gemacht, nach der Beendigung heimlich einen „unerlaubten“ Brenner zu schreiben, mit dem niemand gerechnet hat. Das war wieder ein bisschen wie beim ersten Buch.
4. In Ihren Kriminalromanen gibt es einen namenlosen Erzähler, der dem Protagonisten Brenner überallhin folgt, stetig seine eigene Meinung kundtut und durch seinen Blick auf den Protagonisten auch die Sichtweise des Lesers auf Simon Brenner beeinflusst und in gewisser Weise lenkt. Was für ein Charakter ist dieser Erzähler? Was genau macht ihn aus? Und wie würden Sie das Zusammenspiel zwischen Schriftsteller, Protagonisten, Erzähler und Leser beschreiben?
Ich würde sagen, wenn die Brenner-Romane etwas Interessantes haben, dann dieses Zusammenspiel. Aber da ja der Leser einer dieser vier Faktoren ist, wird das Ergebnis wohl bei jedem ein bisschen anders sein.
5. Sie haben Ihren Protagonisten bewusst aus einem Ort stammen lassen, den Sie selbst noch nie gesehen haben, aus Puntigam, einem Stadtteil von Graz. Das gleiche gilt auch für andere Orte und Erfahrungen, die Sie in Ihren Büchern detailliert schildern, wie beispielsweise Russland und die Mongolei. Was reizt Sie an einem solchen Vorgehen und an diesen Ihnen fremden Orten?
Meistens verwende ich schon vertraute Orte. Nur die Heimat des Detektivs sollte mir fremd sein. Von seinem Heimatort Puntigam wusste ich drei Dinge, die mir gefallen haben. Erstens: es klingt ein bisschen blöd, zweitens: es gibt dort eine weithin bekannte Bierbrauerei, und drittens: es gibt dort ein weithin bekanntes Irrenhaus, die Siegmund-Freud-Klinik. Die Klinik heißt im Volksmund „Puntigam links“, denn so beschreibt man den Weg dorthin: Autobahnabfahrt Puntigam, und dann links. Sie werden verstehen, dass mich das bezaubert hat.
6. Der erste Brenner-Krimi erschien 1996. Wie schreibt man im Zeitalter von Computern, Smartphones, und jetzt auch noch Apple Uhren eigentlich noch Krimis, wenn den Protagonisten des Buches bereits alles Wissen und alle Informationen stets in grosser Menge und rund um die Uhr zur Verfügung stehen? Mussten Sie die Planung Ihrer Handlungsvorgänge sehr abändern?
Ja Handy und Internet sind schon Dinge, die das Krimischreiben extrem verändert haben. Früher konnte man noch behaupten, dass jemand in höchster Gefahr ist, die rettende Information aber nicht erhält, weil er nicht in seiner Wohnung ist. Aber beim Schreiben gilt fast immer die Regel, dass jedes Problem ein guter Störfaktor ist, um einen interessanten Ausweg zu finden. Also der Kriminalroman wird schon noch ein paar Jahre möglich sein bis zur kompletten Überwachung jedes einzelnen. Und dann wird nicht nur das Krimischreiben schwierig.
7. Sie haben in den Brenner-Krimis eine unverwechselbare Stimme entwickelt, deren Nähe zur gesprochenen Sprache und Musikalität sicherlich sehr schwierig zu übersetzen ist. Arbeiten Sie eng mit Ihrer Übersetzerin ins Englische, Annie Janusch, zusammen? Wie genau sieht der Übersetzungsprozess (nicht nur ins Englische, sondern auch in andere Sprachen) aus?
Das ist abgesehen von sporadischen Detailfragen keine Zusammenarbeit, sondern die Arbeit des Übersetzers. Man muss als Autor einfach Glück haben, einen guten Übersetzer zu erwischen, so wie ich mit Annie Janusch. Mir ist wichtiger, der Übersetzer findet „im Prinzip“ einen Stil, der die Stimmung meiner Bücher wiedergibt, als dass jedes Detail hundertprozentig gleich ist wie im Original.
8. Dürfen wir fragen, an welchem Projekt Sie gerade arbeiten?
Über meine Arbeit rede ich grundsätzlich erst, wenn sie fertig ist. Auch der Verlag kriegt von mir stets ein unangekündigtes, fertig geschriebenes Buch vorgelegt. So machts mir am meisten Spaß. Wenn man vorher drüber redet, ist für mein Gefühl irgendwie die Luft raus. Mir geht es mit dem Schreiben eigentlich am besten, wenn ich vergesse, dass ich Schriftsteller bin.